Kommunalfinanzen

Kommunalfinanzen und Corona

Die Finanzkrise 2008 machte den Kommunen viele Jahre lang zu schaffen. Ahnatal, dessen Haushalt damals von einem Überschuss von rund 834.000 Euro (2008) auf einen Fehlbedarf von 1,527 Mio. Euro (2009) abstürzte, musste viele Infrastrukturmaßnahmen strecken und auf manches Wünschenswerte verzichten. Erst 2017 gelang der Gemeinde aufgrund zahlreicher Konsolidierungsmaßnahmen wieder ein ausgeglichener Haushalt. Freiwillig war diese Rosskur nicht: Dahinter stand der Finanzplanungserlass des Landes, der den Kommunen einen Haushaltsausgleich spätestens 2017 diktierte.

Und Corona? Bislang wagt niemand eine genauere Prognose. Doch darin sind sich alle Experten einig: Die wirtschaftlichen Folgen werden ungleich schlimmer sein als diejenigen der Finanzkrise 2008. Dafür spricht auch, dass sich der Bund gehalten sah, in zwei Nachtragshaushalten ein Konjunkturpaket im Umfang von zusammen 286 Mrd. Euro zu schnüren. (Zum Vergleich: Die beiden Konjunkturpakete 2008/2009 hatten ein Volumen von zusammen 62 Mrd. Euro). Darin enthalten sind Hilfen für Kommunen in Höhe von ca. 14 Mrd. Euro. Hauptbestandteil dieses Hilfepakets ist die Übernahme der Hälfte der Gewerbesteuerausfälle, die die Kommunen infolge der Pandemie erleiden werden. Die andere Hälfte soll das betreffende Bundesland den Kommunen ersetzen. Für Wohngemeinden mit vergleichsweise geringem Gewerbesteueraufkommen wird das ein schwacher Trost sein. 2009 belief sich der Gewerbesteuerrückgang in Ahnatal im Vergleich zu 2008 auf 215.000 Euro. Bereits 2010 vereinnahmte die Gemeinde wieder so viel Gewerbesteuer (660.000 Euro) wie 2008.

Ganz anders verhielt es sich bei den Anteilen an der Einkommensteuer. Deren Höhe von 2008 (4,35 Mio. Euro) erreichte Ahnatal erst wieder 2014. Der „Verlust“ in den Jahren 2009 bis 2013 belief sich auf ca. 2,7 Mio. Euro, ohne Berücksichtigung des Anstiegs der Konjunktur, den es in diesen Jahren ohne die Finanzkrise gegeben hätte. Doch wie schon 2008/2009 ist auch dieses Mal kein Ersatz für den zu erwartenden Rückgang der gemeindlichen Einkommensteueranteile vorgesehen. Von dem Hilfspaket des Bundes für Kommunen könnte Ahnatal noch von der Hilfe für Kindergärten (1 Mrd. Euro) profitieren. Die übrigen Bestandteile der Hilfe des Bundes für Kommunen (höherer Anteil der Unterkunftskosten für Bedürftige, Stärkung des Gesundheitssektors und des ÖPNV) sind für Ahnatals Finanzen bedeutungslos. Auch hinsichtlich der Aufstockung des Investitionsplans Sportstätten des Bundes (von 110 auf 260 Mio. Euro) wird Ahnatal als Gemeinde mit überdurchschnittlich dimensionierten Sportanlagen mit Sicherheit leer ausgehen.

Und das Land Hessen? Hat bereits angekündigt, dass es eine Erhöhung des Kommunalen Finanzausgleichs – für 2020 sind ca. 6 Mrd. Euro vorgesehen – erstmal nicht geben wird. Zwar wurde ein kreditfinanziertes Corona-Sondervermögen von 12 Mrd. Euro gebildet, jedoch ist – von der hälftigen Übernahme der Gewerbesteuerausfälle abgesehen – gegenwärtig noch unklar, wie viel und zu welchen Zwecken davon den Kommunen zugutekommt. Zudem ist zu befürchten, dass die Schlüssel- und anderen Zuweisungen (in Ahnatal 2019 ca. 4 Mio. Euro) wegen der steigenden Verschuldung des Landes zurückgehen werden. Fraglich ist auch, ob das Land seine Förderprogramme z.B. in den Bereichen Kultur, Sport und Radwege im geplanten Umfang beibehält.

Und sonst? Von der von vielen Kommunen erhofften teilweisen Übernahme von Altschulden ist im Konjunkturpaket des Bundes keine Rede. Ahnatals Schuldenlast stieg von knapp 7 Mio. Euro Anfang 2009 auf 15 Mio. Euro Ende 2019. Das entspricht einem Anstieg der Pro-Kopf-Verschuldung von unter 900 Euro auf 2.200 Euro. Bei Umsetzung der für 2020 geplanten Investitionen in Höhe von 7,4 Mio. Euro (insbesondere für Sanierung Stahlbergbaude, Ausbau der Kindergärten, Wasserleitungen, Straßenbaumaßnahmen) würde Ahnatals Verschuldung auf über 24 Mio. Euro und die Pro-Kopf-Verschuldung auf ca. 3.000 Euro wachsen. Trotz extrem niedriger Kreditzinssätze würde die jährliche Zinslast der Gemeinde in Höhe von in den letzten Jahren durchschnittlich rund 400.000 Euro deutlich steigen (auf über 500.000 Euro schon 2023). All das, wohlgemerkt, ohne Corona. Jetzt, mit Corona, dürfte es der Gemeinde auch schwerfallen, wie zuletzt – und wie mittelfristig geplant – ca. eine Million Euro jährlich zur Tilgung von Altschulden aufzubringen. Auch deshalb ist von einer weiteren Erhöhung der Schulden und der Zinslast auszugehen.

Zwar bleibt den Kommunen der Trost, dass sich an den niedrigen Zinssätzen bis auf weiteres nichts ändern wird. Um das Beschränken auf unbedingt notwendige und das Verschieben aller anderen Investitionen sowie um Nachtragshaushalte, Steuer- und Beitragserhöhungen und/oder Haushaltssperren – wie gerade vom Main-Kinzig-Kreis verfügt – werden sie gleichwohl kaum herumkommen, wollen sie kein dramatisches Ansteigen ihrer Schulden in Kauf nehmen, das sie womöglich auf Jahrzehnte knebelt. Eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik in solchen Zeiten verlangt daher ein besonders genaues Prüfen der Erforderlichkeit von Neuinvestitionen. Bei Unterhaltungsmaßnahmen für Infrastrukturobjekte ist ein sorgfältiges Abwägen der Kosten einerseits und der Folgen eines Zuwartens andererseits geboten, weil die Sanierung maroder Objekte oftmals teurer ist als regelmäßige Unterhaltung. Vielleicht kommt ja auch bald schon der nächste Rettungsschirm des Landes für hoch verschuldete Kommunen – mit haushälterischen Vorgaben und schmerzhaften Entbehrungen, aber, immerhin, einer langfristigen Perspektive.

Dr. Volker Olbrich